Winterprogramm

Christ sein heute

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Mittwoch, 29. Januar 2003, 20.00 Uhr
in der Büchsenschmitte

Identität der heutigen Christen - Glaubensbekenntnis

Einführung durch Pfr. Philipp E. Specken
Referenten:
Prof. Dr. Eva-Maria Faber, Chur
Prof. Dr. Alfred Schindler, Uerikon

An die ZSZ: Oekumenisches Winterprogramm der beiden Kirchgemeinden Herrliberg

Am vergangenen Mittwoch, den 29. Januar 2003, hat der letzte Vortragsabend des diesjährigen ökumenischen Winterprogramms der beiden Kirchgemeinden in Herrliberg zum Thema "Identität der heutigen Christen – Glaubensbekenntnis" unter der Leitung von Pfarrer Philipp Specken statt gefunden.Der emeritierte Kirchenhistoriker der Universität Zürich, Professor Alfred Schindler, gab einen geschichtlichen Ueberblick über die Entwicklung der beiden Glaubensbekenntnisse, des kürzeren Apostolicum und des sogenannten ‚grossen‘ Nizäno-Konstantinopolischen Glaubensbekenntnisses. Wie es der Name schon sagt, geht das grosse Bekenntnis auf die Konzilien von Nizäa (325 n.Chr.) und Konstantinopel (381 n.Chr.) zurück. Die Reformatoren haben dieses sowie das Apostolicum nicht abgelehnt. Beide sind gemeinsamer Bestandteil beider Konfessionen geblieben. So konnte man sich in den sechziger-Jahren des 20. Jahrhunderts sogar auf einen gemeinsamen ökumenischen Wortlaut einigen, der heute sowohl im reformierten als auch im römisch-katholischen Kirchengesangbuch zu finden ist.
Weil das Credo in der katholischen Liturgie seinen festen Platz hat, wurde es weiter überliefert und ist jedem praktizierenden Katholiken von heute vertraut.
Im Protestantismus behielt das Glaubensbekenntnis zunächst eine grosse Bedeutung bei Ordination, Taufe und Abendmahl, doch man tat sich zunehmend schwer mit einzelnen Glaubenssätzen, so dass 1868 nach dem Kampf zwischen liberalen und positiven Protestanten in der deutschen Schweiz der Gebrauch des Apostolicums frei gestellt wurde. Von da an geriet es immer mehr in Vergessenheit. Anders verlief die Entwicklung in Deutschland, wo zur Abgrenzung gegen den National-Sozialismus die "Bekennende Kirche", getragen von Persönlichkeiten wie Karl Barth oder Dietrich Bonhöffer, das Glaubensbekenntnis wieder in den Vordergrund rückte.
Die katholische Theologin Eva Maria Faber, seit gut zwei Jahren Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule in Chur, konzentrierte sich mehr auf den Inhalt des Glaubensbekenntnisses. Wurden in den gegenreformatorischen Auseinandersetzungen die vorgegebenen Glaubenssätze, also der Glaubensinhalt betont, so fand im 20. Jahrhundert ein Umdenken zu einer biblischen, personalen Glaubenshaltung statt. Diese beiden Aspekte des Glaubens lassen sich nicht trennen: wir können Gott erst dann vorbehaltlos vertrauen, wenn er vertrauenswürdig ist, d.h. wenn wir glauben können, dass sein Sohn Jesus Christus für uns gekreuzigt wurde...um nur einen Gaubenssatz zu nennen.
Behutsam und differenziert hat Frau Faber die Vorgabe Gottes in den Sätzen des Glaubensbekenntnisses und die Antwort des Menschen in seinem Glauben aufgezeigt.
Interessant ist für sie das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts für Sozialethik des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) aus dem Jahre 2001. Sie kommt zum Schluss, dass Religion heute attraktiv ist als spirituelle "Religion aus erster Hand", d. h. Religion, die nicht nur von aussen ‚angelernt‘ ist, sondern mit dem eigenen Innern zu tun hat. Ein vorgegebenes Bekenntnis übernehmen zu müssen bedeutet "Religion aus zweiter Hand". Christlicher Glaube heisst aber nicht, sich einen Gott auszudenken wie er sein könnte, sondern so an ihn zu glauben wie er – gemäss dem christlichen Glaubensbekenntnis – ist. Das christliche Bekenntnis ist also zunächst "Religion aus zweiter Hand"; indem aber der gläubige Christ sein persönliches Leben in diesem Glauben geborgen weiss, ist es zugleich auch "Religion aus erster Hand".

(Marianne Binkert)