Gemeindereise "Sizilien", 20. September - 2. Oktober 2003

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“Waldenser und Kultur - Sterne und Natur”


Gute Laune

Zu unterst beim Abschnitt “Mitnehmen” des Reiseprogramms war sie angeführt. Alle hatten sie im Gepäck, und sie blieb nicht im Koffer. Stets war sie präsent, auf den Gesichtern abzulesen, in den Gesprächen zu hören. Sie hat diese 12 wunderbaren Tage entscheidend mitgeprägt. Die nachfolgenden Betrachtungen sind nur Steine eines Mosaiks: den Hiergebliebenen zur Information, den Teilnehmenden ein Leitfaden, um die eigenen Erlebnisse und Erinnerungen einzuflechten.

Natur und Kultur
Beim Anflug auf Palermo beeindrucken steil vom Meer aufsteigende kahle, felsige Berge, ein Häusermeer, wenig Grün. Und immer wieder begegnen wir dieser kargen Landschaft, die vor Jahrhunderten bewaldet war, vor allem im Innern der Insel, die flächenmässig etwas mehr als die Hälfte der Schweiz ausmacht. Dann aber auch, im Süden und Nordosten, den fruchtbaren Regionen mit Weinbergen und Zitrusfrüchten. Vereinzelt sind Überreste eines Bewässerungssystems mit betonierten Rinnen zu sehen. Die heutigen Anlagen bringen das Wasser in Plastic-Leitungen direkt zu den Pflanzen. Von der Qualität der Produkte konnten wir uns in einer grossen Weinkellerei in Marsala überzeugen. Die Nordküste ist vor allem felsig. Im Naturreservat “Zingaro”, wo die Naturschützer einen vorgesehenen Strassenbau verhinderten, konnten wir, in zwei “Stärkeklassen”, in wohltuender Stille spazieren oder wandern.

 


Blick von Eraclea Minoa aufs Meer

Kleine Buchten mit türkisfarbenem Wasser luden zum erfrischenden Bad. Herrliche Sandbadestrände findet man an der Südküste. In den vergangenen 3000 Jahren haben Sikuler, Sikaner, Elymer, Griechen, Römer, Sarazenen, Normannen, Aragoner, Bourbonen und andere die Insel beherrscht und Spuren hinterlassen, sowohl architektonischer Art als auch im Anbau von Früchten und Gemüsen.

 


Castellammare del Golfo
 

Aus dem überreichen Angebot an Kunstdenkmälern seien genannt: der Dom von Monreale, der gut erhaltene Tempel von Segesta, die Überreste einer phönizischen Stadt auf der Insel Mozia, die Tempelanlage von Selinunte, die römischen Mosaike in Piazza Armerina oder das griechische Theater von Taormina, das schon Goethe begeisterte.

Meist stehen diese Kulturdenkmäler auch in landschaftlich reizvoller Umgebung. So das Städtchen Erice, eines der ältesten Siziliens, 751 m hoch auf einem einsamen Bergkegel thronend, mit einem gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtbild. Allerdings wird Erice hauptsächlich nur noch in der heissen Jahreszeit von Sommerfrischlern bewohnt; häufig hüllt es sich in geheimnisvolle Nebel, während am Meer die Sonne brennt. Dafür treffen sich im Sommer Wissenschaftler und Philosophen aus der ganzen Welt, um über Umweltfragen zu diskutieren.

Zu den eindrücklichsten Naturszenarien zählt bestimmt der Ätna mit seinen über 3000 Metern. Die Lava-Wanderung auf rund 2000 Meter Höhe war für uns ein besonderes Erlebnis. Eine zusammengeknüllte Zeitung am Boden fing nach wenigen Sekunden Feuer. Zu einem Höhepunkt der ganzen Reise wurde die Gipfelwanderung für die kleine Gruppe der Sportlichen.

 

Sehenswert waren aber auch die Salinen und das Salzmuseum.

 

Salinen von Trapani
     

Auch das Essen ist Bestandteil der Kultur: Pasta in allen Varianten, mal eher tomatenfarben, ein andermal grünlich, mit Kräutern, immer mit Zugaben wie Pilzen oder Meeresfrüchten; in Meeresnähe vor allem Fischgerichte; dazu die fruchtigen sizilianischen Weiss- und Rotweine, Mandelgebäck als Begleitung zum Dessert. Immer stimmte auch das Ambiente: einmal in der belebten Altstadt Palermos oder im eleganten Strandhotel, dann wieder auf dem Bauernhof unter Eichen oder unter Bambusmatten am Badestrand. NB: Auch unser Mineralwasserkonsum war enorm!

Einen guten Standort für die Beobachtung des Sternenhimmels zu finden, war nicht einfach. Auf einer Anhöhe bei Selinunte bot sich die erste Gelegenheit. Mit Hilfe der noch von Pierre Weber vorbereiteten Karten konnten wir eine grosse Anzahl von Sternbildern beobachten, bis uns fast die Köpfe von den Hälsen fielen. Einige Tage später, auf der Dachterrasse des Schulgebäudes in Riesi, waren die Verhältnisse dank des nationalen Stromausfalles geradezu ideal, bis mit brutaler Plötzlichkeit die künstlichen Lichter die friedliche Beobachterschar in eine andere Wirklichkeit zurückholten. Immerhin blieb genügend Zeit zum Nachdenken über die Unendlichkeit von Raum und Zeit. Die Gedanken galten aber auch lieben Menschen, die nicht mehr unter uns weilen.

 


Blick von Taormina hinunter ans Meer
 

Griechisches Theater von Taormina


Waldenser
Pierre Valdès (auch Valdo oder Pierre de Vaux) rief im 12. Jahrhundert in Lyon eine Bewegung ins Leben, die im Gegensatz zur reichen Kirche der Armut verpflichtet war und sich auf die Heilige Schrift stützte. Valdès und seine Anhänger wurden aus der Kirche ausgeschlossen; die Bewegung wurde während Jahrhunderten verfolgt und konnte sich nur in abgelegenen Bergtälern Italiens und Frankreichs erhalten. Dort entfaltete sie segensreiche Tätigkeiten zugunsten der Benachteiligten, vor allem der Frauen und Kinder, indem sie Schulen und Spitäler errichtete. Im heutigen Italien bilden die Waldenser im Verbund mit Methodisten, Baptisten und der Heilsarmee eine anerkannte evangelische Minderheit. In Sizilien besuchten wir die Gemeinden in Palermo und Riesi. An beiden Orten werden Kindergärten und Grundschulen geführt, und es stehen Gästehäuser zur Verfügung, wo in einfachen aber zweckmässigen Zimmern auch unsere Gruppe je zweimal nächtigte. Während im Gottesdienst in Palermo vor allem der Orgel spielende Pastor “molto impressionante” war - von seiner geräumigen Kanzel aus brachte er das Keybord mit schwungvollem Körpereinsatz zu mächtigem Klingen, so dass der Gesang der Herrliberger beinahe unterging - beeindruckte in Riesi Eliana Briante, Pastorin und Leiterin des Zentrums “Servizio Cristiano”, durch jugendlichen Elan und starke Ausstrahlung. In der Schule hat die Persönlichkeitsbildung einen hohen Stellenwert; die Kinder sollen zu selbstbewussten jungen Menschen heranwachsen. Im dortigen Gottesdienst gelang auch der Herrliberger Auftritt, nach einer Probe am Vorabend, überzeugender. Besonderen Schwung erhielten die italienischen Strophen des bekannten Liedes “In dir ist Freude” - “Gioia del cuore” durch den hellen Tenor unseres Pfarrers. Die Predigt - auf Deutsch und Italienisch - zu Matthäus 6 “Quält euch nicht mit Gedanken an morgen …” entsprach genau dem Grundsatz, der in Riesi gilt: mit Überzeugung etwas Gutes tun und das Weitere Gott überlassen. In Riesi erlebte auch unser Chauffeur Franco seine blauen Wunder. Die Pastorin fuhr ihn persönlich zum Zahnarzt, und er durfte erleben, mit welchem Respekt man ihr überall begegnete. Nur die Köche waren etwas traurig, dass sie wegen der Strompanne ein “Notmenu” servieren mussten, das aber trotzdem ausgezeichnet schmeckte, zumal die eingeladenen Riesi-Familien ihre besten Desserts mitgebracht hatten. Nach dem Essen traf man sich zu einer Aussprache und stellte dabei auch Gemeinsamkeiten fest, zum Beispiel die Frage, wie die Jugendlichen nach der Konfirmation weiter zu betreuen wären.

 

Begegnungen
Da war zuerst Franco, unser Chauffeur während der ganzen Reise, der uns mit Finger- und Zehenspitzengefühl durch das Gewühl der Städte, aber ebenso durch die Kurven im Landesinnern steuerte, dabei nie die Nerven verlor und während der Reise zu einem wahren Freund wurde, so dass der Abschied nach einem von ihm offerierten Mandarinen-Likör-Apéro allen schwer fiel. In Palermo begleitete uns Antonio, der Paganini unter den Reiseführern, seine überaus kompetenten Erklärungen in makellosem Deutsch mit Anekdoten, kleinen Sticheleien und anderen vergnüglichen Beigaben würzend. Uns nannte er “bambini”, Kolleginnen begrüsste er mit “ciao bella”, und ausserhalb von Palermo gab es für ihn keine echten Sizilianer, schon gar nicht in Catania. Ebenso kompetent, wenn auch von ganz anderer Art, war unsere Führerin in Erice, Trapani und Selinunte. Ruth von Gunten stammt aus Biel, lebt schon lange in Sizilien, wo sie sich wohl fühlt. Andrea, der Bergführer, auch er seit einigen Jahren auf der Insel ansässig, führte uns in die Geheimnisse der Vulkanologie ein und begleitete uns durch die Lavaströme des Ätnas. Seine Liebe zur Natur und zu seiner Wahlheimat machte ihn auf Anhieb sympathisch. Schliesslich trafen wir Martina Koch und Thomas Oeschger, ausgewanderte Oberengstringer, die ein hervorragendes Olivenöl (und andere Spezialitäten) herstellen und mit Begeisterung von ihrem Leben berichteten.

   

Im Schlamm und ohne Strom
Dank der guten Planung blieben uns böse Überraschungen erspart. Zwei Episoden dürfen aber nicht unerwähnt bleiben. Als Appetit-Anreger hatte die hohe Leitung einen “kurzen Spaziergang durch Oliven- und Mandelhaine” angeordnet, den wir auch wohl gelaunt antraten. Doch dann, als wir schon nach unserem Oberhaupt Ausschau hielten, das uns vom Endpunkt der “Wanderung” entgegenkommen sollte, geschah es: Die Vordersten versanken im Schlamm, in den ein kurzer aber heftiger Regenguss den Weg verwandelt hatte. Nicht gerade bis zu den Knien, aber immerhin. Die Schuhe wurden um Pfunde schwerer, das Marschtempo näherte sich Null. Da kein anderer Weg zum Ziel führte, musste die ganze Gruppe die Schlammstrecke überwinden. Das Unternehmen endete mit einem grossen Schuheputzen, das aber nicht zum gewünschten Erfolg führte. In Socken betraten wir den Bus, den Franco am frühen Morgen säuberlich gereinigt hatte.

 


Schuhputz vor Campobello di Licata


Ganze Gruppe vor Domplatz Monreale
  Die zweite Episode sollte nicht der Reiseleitung angelastet werden, auch wenn böse Mäuler behaupteten, die Sterngucker hätten sie absichtlich herbei geführt. In der Frühe des 28. September brach die Stromversorgung zusammen. Unangenehme Nebener-scheinung war der teilweise Ausfall der Wasserzufuhr. Aber oh Wunder - dank einem heftigen Regenschauer konnten wir grosse Plasticbecken füllen, die flinke Hände bereitgestellt hatten.

 

 

Das Nachtessen bei Kerzenlicht war besonders stimmungsvoll. Und am späten Abend - beim Sterngucken - kehrte der Strom zurück.
Noch ein weiteres Mal zog die Gruppe Schuhe und Strümpfe aus, diesmal beim (geplanten) Waten durch die tiefe Alcantara-Schlucht. Im übrigen hatten wir unwahrscheinliches Wetterglück.


Dank
Es muss vieles zusammentreffen, damit ein Unternehmen so erfolgreich wird wie diese Reise. Das vielseitige, interessante Programm, die seriöse Vorbereitung, die Organisation und Leitung der Reise verdanken wir unserem Pfarrer-Ehepaar Cornelia und Andreas. Aber das ist noch lange nicht alles: Die beiden sorgten in jedem Moment für unser leibliches, geistiges und seelisches Wohl wie Eltern für ihre Kinder, oder eben ihre “bambini”, 17 Teilnehmende aus Herrliberg, Oberengstringen, Küsnacht, Rorschach und Brig. Dadurch erst wurde alles Übrige zum Erlebnis, das wir nicht vergessen werden. Der herzliche Dank gilt aber auch allen anderen, die zum guten Gelingen beigetragen haben, nicht zuletzt der Kirchenpflege, die das Projekt von Anfang an in jeder Hinsicht wohlwollend begleitet hat.
 

Bericht: Hans Reutener
Fotos: Ruth Weinmann