Fünfzehn
Jugendliche begannen ihr Konfirmationsjahr im Kloster, in der ökumenischen
Bruderschaft in Taizé: von der Goldküste ins Burgund, vom
weichen Bett auf den harten Zeltboden. Das einfache Leben in der Communauté
von Taizé hinterliess Spuren.
4000 Menschen singen in der Kirche. 4000 Menschen schweigen, miteinander
und doch jeder für sich. 4000 schauen in dieselbe Richtung. Das ist
Taizé. Jugendliche aus Schweden, Litauen, Korea oder der Schweiz
verständigen sich mit Händen und Füssen, Tausende stehen
kurz vor sieben Uhr abends in der Schlange, um ihr Essen zu fassen.
Behutsam in das Risiko
20 der 4000 Menschen in dieser letzten Sommerferienwoche kommen aus Herrliberg,
15 Jugendliche, drei Leiterinnen und ein Leiter der Cevi Herrliberg/Erlenbach
und der reformierte Pfarrer Andreas Schneiter-Kranich. Zum zweiten Mal
wagt er es, die Jugendlichen behutsam in eine fremde Welt einzuführen,
die Welt von rund 100 Mönchen, den Brüdern von Taizé.
Jedes Jahr heissen sie Tausende von jungen Menschen willkommen, die mit
ihnen den Tagesrhythmus teilen, die drei Gebete am Tag, die Gemeinschaft.
Andreas Schneiter spricht von einem Risiko, das dieses Lager
darstellt, er ermuntert die Herrliberger Konfirmanden, ein bisschen
von dem zu spüren, was einen Menschen dazu bewegen kann, sein Leben
ganz Gott zu widmen.
Gewissheit trotz Verzicht
Haben Sie nie Heimweh? fragt einer der Jugendlichen den Mönch
in Hemd und hellen Jeans, der vor fünf Jahren aus der Schweiz nach
Taizé kam. Meine Heimat ist hier, wo ich das Wichtigste habe:
Gemeinschaft und Gebet, lautet seine Antwort. Wo man zwar alles
Äusserliche habe, aber einem das Wesentliche fehle, könne man
sich nie zuhause fühlen.
Frère Bruno versteht die jungen Menschen, die nicht alles begreifen
mögen, er versteht ihr Befremden über das lange Schweigen in
der Kirche, den nie ändernden Tagesrhythmus, den Verzicht, die Enthaltsamkeit,
das immer gleiche Leben in der Communauté. Natürlich
wägt man zuerst ab, und es gibt viele Gründe, die dagegen sprechen.
Aber dann ist da diese weniger logische Ebene, die Gewissheit, dass man
so leben möchte, mit Gott leben möchte, sagt er. Es sei
wie der Entscheid zu heiraten: Ist das nicht auch ein Verzicht auf
drei Milliarden andere Menschen? fragt er die Jugendlichen.
Abgedriftet und nachgedacht
Am Ende der Woche ist das drei Mal täglich wiederkehrende Gebet in
der Kirche einigen Jugendlichen fast zu kurz. Natürlich schmerzt
das Gesäss wegen des langen Sitzens auf dem harten Nadelfilz. Und
es kommen in den stillen Minuten auch negative Gefühle hoch. Aber
den Jungen gefällt das gemeinsame, ausgiebige Singen. Es sei faszinierend,
in Gedanken abzudriften, sagt einer von ihnen, und durch die
neue Art des Gottesdienstes habe sie auch einen neuen Blick auf Gott gewonnen,
sagt ein Mädchen. Diese Woche habe ich seit langem wieder einmal
über meinen Glauben nachgedacht, schreibt eine Konfirmandin
in ihrem Auswertungsbogen. Das ist wohl schon mehr, als sich Pfarrer Schneiter
erhofft hat.
Der Blick in die eigene Tiefe
4000 Menschen singen. 4000 Menschen schweigen, miteinander und doch jeder
für sich. 4000 Menschen schauen in dieselbe Richtung. Das ist Taizé
- oder was den Heimgekehrten davon bleibt. Und es bleibt viel von diesen
fünf Tagen in einer anderen Welt. Mut hat es wohl für die 15
jungen Herrlibergerinnen und Herrliberger gebraucht, in dieses Leben einzutauchen.
Einige schwammen länger an der Oberfläche, andere liessen sich
treiben, und einige wagten den Blick in die eigene Tiefe. Gab es
Momente, die Mühe machten? fragt der Pfarrer in der schriftlichen
Auswertung. Der Abschied, steht auf einem der Blätter.
Anna Moser
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