Abschied von einem engagierten Seelsorger

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Zum Gedenken an Emilio Pallioppi


Als Emilio Pallioppi vor 37 Jahren als zweiter Pfarrer nach Herrliberg berufen wurde, kam einiges in der Kirchgemeinde in Bewegung. Am Mittwoch vor Ostern ist Pfarrer Pallioppi nach langer Krankheit gestorben. Während zwei Jahrzehnten war er engagierter Prediger und Seelsorger in unserer Gemeinde.

Im Mai 1966 fand seine festliche Amtseinsetzung in der Kirche Tal statt. Es war in mancher Hinsicht ein "Neuanfang" in der Reformierten Kirchgemeinde Herrliberg. Die langjährige Kirchenpflege hatte fast vollständig gewechselt, Walter Fausch wurde neuer Kirchenpflegepräsident – und zum ersten Mal wurden gar zwei Frauen in die Pflege gewählt. Herrliberg – mit seiner "Filialkirche" Wetzwil - hatte nun auch zwei reformierte Pfarrer und mit dieser "doppelten Besetzung" kam einiges in Bewegung in der Kirchgemeinde.

Stolz auf Engadiner Wurzeln
Es werden sich wohl einige ältere Herrliberger an die "Osterlager" in Madulain erinnern. Emilio hatte mit Begeisterung die sportlichen Gemeindeglieder für die Skilager im Engadin mobilisiert. Gleich nach dem Karfreitagsgottesdienst – nicht vorher – fuhr man weg. Es war ihm immer eine grosse Freude, den Herrlibergern "sein Engadin" lieb zu machen. Zeitlebens war er stolz auf seine Engadiner-Wurzeln, und wenn immer es sich ergab, sprach er wieder romanisch.

Don Emilio mit Elefantengedächtnis

Emilio Pallioppi war mit Leib und Seele Pfarrer. Einmal – wohl in den ersten Jahren – hat er uns aus seinen Ferien eine Ansichtskarte geschickt, unterschrieben mit "Dein Emilio" – und dann das Dein fein säuberlich abgeändert auf "Don Emilio". Er hat sich selbst gerne immer wieder so bezeichnet. Auch wenn wir ihn nicht mit Don Camillo vergleichen wollen – etwas von der tatkräftigen, impulsiven und kämpferischen Art des Don Camillo war auch bei Emilio zu spüren. Er hatte wahrhaftig keine Berührungsängste. Herzlich ging er auf alle zu, ob reformiert oder katholisch, leutselig, kontaktfreudig – und immer – fast immer – wusste er die Namen seiner Gesprächspartner. Er habe eben ein "Elefantengedächtnis", sagte er oft von sich. Diese Kontaktfreudigkeit hat ihm geholfen, die Herrliberger rasch zu erobern. Wer erinnert sich nicht, wenn er jeweils mit der grossen Tasche Einkäufe machte im Dorf.
Für Pfr. Pallioppi waren die Gottesdienste die zentrale Aufgabe im Pfarramt. Er tippte seine Predigten minutiös in die Schreibmaschine, "memorierte" das Geschriebene zuverlässig, nichts wurde dem Zufall überlassen. Er hat diese Pflicht ernst genommen und hart dafür gearbeitet. Leicht gepredigt hat er, trotz intensiver Vorbereitung, nicht. Er hat oft gerungen – mit den Worten – und mit sich selbst. - Einige Jahre führte er auch die "Junge Kirche" – wohl unterstützt von seinen eigenen Kindern, Martin, Gian, Peider und Trix. Später waren es dann die Bibelstunden und die Erwachsenenbildung, die ihn vorzugsweise beschäftigten.
Das "Männer-Senioren-Treffen" war wesentlich seine Schöpfung. Er hat getreulich jede Veranstaltung der Männer-Senioren gezählt – es waren viele. Immer aber wurde er begleitet und liebevoll unterstützt von seiner Gattin Beatrix. Oft hat er gesagt "wenn ich meine Trix nicht hätte …".

Nach der Pensionierung nicht müde
Wenige Jahre vor seiner Pensionierung konnte Emil Pallioppi noch sein Bildungsurlaub-Halbjahr beanspruchen. Er verbrachte einige Monate an der Waldenser-Fakultät in Rom. Der Engadiner mit seinem südlichen Temperament fühlte sich wohl in Rom – und so war es für ihn fast selbstverständlich, auch nach der Pensionierung viel Zeit für die Waldenser-Arbeit einzusetzen. Viele werden sich noch an seinen offiziellen Abschiedsgot-tesdienst im Mai 1986 erinnern, wo sein Freund, Prof. Ricca aus Rom, persönlich in Herrliberg anwesend war. Bis zu seinem Tod blieb Emilio mit den Reformierten Italiens verbunden. Seine aktive Art erlaubte ihm noch, eine ganze Reihe von Stellvertretungen zu versehen, so z.B. in Malix, später auch im Zürcher Oberland.
Seit seiner schweren Krankheit ist es still geworden um Emil Pallioppi. Es war für seine Frau Trix nicht einfach, dass sie Emil nicht zu Hause pflegen konnte – obwohl er gut und liebevoll betreut wurde im Pflegeheim in Herrliberg. Emil Pallioppi hat die schwere Krankheits- und Leidenszeit mit beispielloser Würde getragen und ertragen. Vielleicht hat ihm der Bonhoeffer-Vers, den er so oft am Ende des Gottesdienstes zitierte, die nötige Kraft und Vertrauen gegeben.
Von guten Mächten wunderbar geborgen
Erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Ruth Haag, ehem. Präsidentin der Kirchenpflege