Die
zweite Veranstaltung im ökumenischen Vortragsprogramm "Christliche
Ethik und Medizin" der Herrliberger Kirchgemeinden galt jenem Thema,
das für uns alle einmal naheste Realität wird, dem Sterben.
Zahlreiche Interessierte aller Altersstufen folgten den Ausführungen
der Fachleute, die in ihrer täglichen Arbeit ganz besonders mit den
Gedanken und den schwierigen Fragen um unser Lebensende konfrontiert sind.
Den medizinischen Standpunkt legte Urs Strebel, Chefarzt Medizin am Kreisspital
Männedorf, dar. Seeelsorger Werner Kriesi, während 30 Jahren
als Pfarrer tätig, schilderte die Aufgabe und Arbeitsweise von EXIT,
Vereinigung für humanes Sterben, deren Präsident in der deutschen
Schweiz er heute ist. Marianne von Gunten, Pflegefachfrau bei der Spitex
Herrliberg, vertrat den Aspekt der dezentralen, individuellen Krankenpflege.
Nach kurzen Einführungsreferaten von Urs Strebel und Werner Kriesi
war der Abend hauptsächlich einem Podiumsgespräch und einer
freien Diskussion mit dem Publikum gewidmet. Marianne Binkert, Präsidentin
der katholischen Kirchenpflege, koordinierte den Gedankenaustausch.
Als Arzt mit reicher onkologischer Erfahrung lehnt es Urs Strebel ab,
aktive Sterbehilfe zu leisten, eine Haltung, die ein Grossteil der Aerzteschaft
einnimmt. Besonders im Spital ist Hilfe zum Sterben wegen der durch das
Team geprägten Arbeitsweise problematisch. HIngegen ist hier das
Helfen beim Sterben machbar. Es kann durch Verzicht auf bestimmte medizinische
Massnahmen und auch durch eine Begleitung in Form eines möglichst
offenen und doch einfühlsamen Gesprächs mit dem Patienten und
den Angehörigen geschehen. Sehr erwünscht in einer kritischen
Krankheitssituation ist für Urs Strebel das Vorliegen einer Patientenverfügung,
also einer Willensäusserung des Patienten im Hinblick auf das medizinische
Vorgehen.
Gestützt auf eine ebenfalls langjährige Erfahrung legte Werner
Kriesi die Gedanken dar, welche die Basis der Vereinigung EXIT bilden.
Entscheidend ist die angestrebte Selbstbestimmung des Einzelnen im Leben
wie im Sterben. Diese Selbstbestimmung wird als ein Grundrecht und als
Ausdruck der Menschenwürde verstanden. Drei geschilderte, erschütternde
Krankheitsfälle machten den Todeswunsch der Betroffenen glaubhaft.
In solchen extremen Situationen können EXIT-Mitarbeiter den Patienten
bis zum Freitod begleiten, wobei aber die Einnahme des todbringenden,
erlösenden Medikaments ein Willensakt allein des Patienten bleiben
muss.
Für Werner Kriesi ist es auch heute noch sehr schwierig, in der Gesellschaft
sachlich über die Problematik der Lebensverlängerung mit allen
Mitteln sowie über die Sterbebegleitung zu sprechen. Das emotionale
Element ist in diesen Bereichen allzu stark. Einigkeit ist bei der heutigen
Pluralität der Meinungen nicht möglich, aber auch nicht nötig.
Hingegen ist das gegenseitige Respektieren unterschiedlicher Ansichten
von grösster Bedeutung.
Auch Marianne von Gunten ist aus ihrer über zehnjährigen Spitex-Tätigkeit
vertraut mit dem oft lang dauernden Sterbeprozess. Besonders schwierig
wird die Pflege wegen der nicht seltenen Ambivalenz von Schwerkranken,
die einerseits gewillt sind, weiter zu leben, aber anderseits durch den
Tod von ihren Leiden erlöst werden möchten.
Die
Diskussion von Podiumsteilnehmern und Publikum machte die grosse Bedeutung
der schriftlichen Patientenverfügung wie auch des offenen Gesprächs
aller von einem Sterbefall betroffenen Personen deutlich. Hilfreich für
Patient und Angehörige wäre auch eine breitere Bewusstheit der
Endlichkeit des Lebens. Dass für ein humanes Verhalten gegenüber
Schwerkranken und Sterbenden eine geduldige, kompetente Begleitung erstes
und wichtigstes Gebot ist, darüber waren sich die Referierenden ebenfalls
einig.
Ueli Moser, Kirchenpfleger
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