Ökumenisches Winterprogramm 2004

 

zurück


Beim Sterben oder zum Sterben helfen?

Diskussionsabend vom 21.1.2004

Die zweite Veranstaltung im ökumenischen Vortragsprogramm "Christliche Ethik und Medizin" der Herrliberger Kirchgemeinden galt jenem Thema, das für uns alle einmal naheste Realität wird, dem Sterben. Zahlreiche Interessierte aller Altersstufen folgten den Ausführungen der Fachleute, die in ihrer täglichen Arbeit ganz besonders mit den Gedanken und den schwierigen Fragen um unser Lebensende konfrontiert sind.

Den medizinischen Standpunkt legte Urs Strebel, Chefarzt Medizin am Kreisspital Männedorf, dar. Seeelsorger Werner Kriesi, während 30 Jahren als Pfarrer tätig, schilderte die Aufgabe und Arbeitsweise von EXIT, Vereinigung für humanes Sterben, deren Präsident in der deutschen Schweiz er heute ist. Marianne von Gunten, Pflegefachfrau bei der Spitex Herrliberg, vertrat den Aspekt der dezentralen, individuellen Krankenpflege.

Nach kurzen Einführungsreferaten von Urs Strebel und Werner Kriesi war der Abend hauptsächlich einem Podiumsgespräch und einer freien Diskussion mit dem Publikum gewidmet. Marianne Binkert, Präsidentin der katholischen Kirchenpflege, koordinierte den Gedankenaustausch.

Als Arzt mit reicher onkologischer Erfahrung lehnt es Urs Strebel ab, aktive Sterbehilfe zu leisten, eine Haltung, die ein Grossteil der Aerzteschaft einnimmt. Besonders im Spital ist Hilfe zum Sterben wegen der durch das Team geprägten Arbeitsweise problematisch. HIngegen ist hier das Helfen beim Sterben machbar. Es kann durch Verzicht auf bestimmte medizinische Massnahmen und auch durch eine Begleitung in Form eines möglichst offenen und doch einfühlsamen Gesprächs mit dem Patienten und den Angehörigen geschehen. Sehr erwünscht in einer kritischen Krankheitssituation ist für Urs Strebel das Vorliegen einer Patientenverfügung, also einer Willensäusserung des Patienten im Hinblick auf das medizinische Vorgehen.

Gestützt auf eine ebenfalls langjährige Erfahrung legte Werner Kriesi die Gedanken dar, welche die Basis der Vereinigung EXIT bilden. Entscheidend ist die angestrebte Selbstbestimmung des Einzelnen im Leben wie im Sterben. Diese Selbstbestimmung wird als ein Grundrecht und als Ausdruck der Menschenwürde verstanden. Drei geschilderte, erschütternde Krankheitsfälle machten den Todeswunsch der Betroffenen glaubhaft. In solchen extremen Situationen können EXIT-Mitarbeiter den Patienten bis zum Freitod begleiten, wobei aber die Einnahme des todbringenden, erlösenden Medikaments ein Willensakt allein des Patienten bleiben muss.

Für Werner Kriesi ist es auch heute noch sehr schwierig, in der Gesellschaft sachlich über die Problematik der Lebensverlängerung mit allen Mitteln sowie über die Sterbebegleitung zu sprechen. Das emotionale Element ist in diesen Bereichen allzu stark. Einigkeit ist bei der heutigen Pluralität der Meinungen nicht möglich, aber auch nicht nötig. Hingegen ist das gegenseitige Respektieren unterschiedlicher Ansichten von grösster Bedeutung.

Auch Marianne von Gunten ist aus ihrer über zehnjährigen Spitex-Tätigkeit vertraut mit dem oft lang dauernden Sterbeprozess. Besonders schwierig wird die Pflege wegen der nicht seltenen Ambivalenz von Schwerkranken, die einerseits gewillt sind, weiter zu leben, aber anderseits durch den Tod von ihren Leiden erlöst werden möchten.

Die Diskussion von Podiumsteilnehmern und Publikum machte die grosse Bedeutung der schriftlichen Patientenverfügung wie auch des offenen Gesprächs aller von einem Sterbefall betroffenen Personen deutlich. Hilfreich für Patient und Angehörige wäre auch eine breitere Bewusstheit der Endlichkeit des Lebens. Dass für ein humanes Verhalten gegenüber Schwerkranken und Sterbenden eine geduldige, kompetente Begleitung erstes und wichtigstes Gebot ist, darüber waren sich die Referierenden ebenfalls einig.

Ueli Moser, Kirchenpfleger